Geschäftsjahr 2022
Hier findest du eine Übersicht über die Inhalte des 14. Geschäftsberichts 2022.
Vorwort
Marc Ungerer, Geschäftsführer JRT AG: Lieber Peter, im Sommer 2023 geht Deine langjährige Präsidentschaft zu Ende. Du bist mit dem Grindelwalder Tourismus gross geworden, hast viele Jahre als Vorstand bei Grindelwald Tourismus, dann bei der Vorgängerorganisation der JRT, der Jungfrau Region Marketing AG als Verwaltungsrat geamtet und bist nun schon seit Bestehen der JRT AG im Jahre 2015 Verwaltungsratspräsident unserer Destination. Zudem bist Du seit Jahrzehnten ein erfolgreicher, touristischer Unternehmer in der Jungfrau Region. Worauf bist Du in deiner bisherigen Schaffensperiode besonders stolz? Gab es auch schwierige Momente?
Peter Egger, Verwaltungsratspräsident JRT AG: Die Entscheidung zu unserem Mehrmarkensystem und die damit einhergegangene, erfolgreiche Umstrukturierung des Tourismus in der Jungfrau Region ist mein persönliches Highlight. Dass es möglich wurde, diese heterogene Tourismuslandschaft doch auf einen gemeinsamen Nenner - und eben nicht unter eine gemeinsame Dachmarke - zu bringen, war eine grosse Herausforderung. Wir waren uns zu Beginn alles andere als sicher, ob dies gelingen wird. Nun haben wir für so eine grosse Destination sogar ein Erfolgsmodell geschaffen, das sich weiterentwickelt, indem nun auch die einzelnen Ortsmarken mit ihren individuellen Stärken gefördert werden.
Natürlich gilt es in so vielen Jahren auch schwierige Momente durchzustehen. Ich erinnere mich daran, als Dein Vorgänger und seine Stellvertretung zeitgleich das Handtuch warfen. In dieser Übergangszeit von der alten zur neuen Geschäftsführung habe ich für rund ein halbes Jahr diese Aufgabe übernommen. Dabei habe ich zwar einerseits wertvolle Einblicke in das Tagesgeschäft der Destination gewonnen, die mir das Treffen gewisser Entscheidungen später leichter gemacht haben, andererseits aber war es neben meiner Haupttätigkeit als Unternehmer eine enorme Belastung, mit der ich nie gerechnet hätte.
Marc Ungerer: Die Jungfrau Region steht heute mit ihren fünf Ortsmarken als stabile Destination da, die sich zudem erfolgreich weiterentwickelt. Das ist bei dieser Grösse nicht selbstverständlich. Was denkst Du, welches sind die entscheidenden Erfolgsfaktoren, die hier greifen?
Peter Egger: An erster Stelle würde ich da in jedem Fall die erfolgreiche Kooperation mit unseren Leistungsträgern nennen. Die Destination verantwortet ja keine eigenen Produkte, das heisst sie ist auf die effektive Zusammenarbeit mit Hotels, Beherbergern, Bahnen etc. angewiesen. Das ist sicher matchentscheidend - und gilt im Übrigen für jede Tourismusdestination, nicht nur die Jungfrau Region.
Und diese Kooperation ist auch für den zweiten Erfolgsfaktor Voraussetzung: Wir sprechen gerne von der Visibilität unserer Marken und der Destination auf den Märkten. Diese Visibilität und Bekanntheit sind wichtiger denn je, um im globalen Wettbewerb unter den Reisenden Aufmerksamkeit zu generieren. Aber auch hier wäre die Destination allein unterwegs nur einen Bruchteil so erfolgreich. Hier müssen wir die USPs der Schweiz, des Kantons Bern, des Berner Oberlandes, der ganzen Jungfrau Region und ihrer Topangebote vor Ort - allen voran der Bergbahnen, Schluchtenbetreibern, Beherbergern etc. mit ins Boot holen. Wir müssen uns auf unseren Sales Calls als vollständiges Gesamtbild präsentieren, um die grösstmögliche Effektivität zu erzielen.
Im Falle der Jungfrau Region haben wir einen einmaligen Wettbewerbsvorteil im Rahmen unseres Mehrmarkensystems. Wir können dieses - je nach Stärke der Ortsmarke auf einzelnen Märkten und gegenüber Gästesegmenten - ins Zentrum der Vermarktung stellen, und die anderen partizipieren dann an dieser herausragenden Marktstellung.
Marc Ungerer: Die fünf Tourismusorte unserer Mehrmarke könnten unterschiedlicher nicht sein, das sieht man bereits anhand ihrer ganz unterschiedlichen Gästestrukturen. Wo siehst Du den gemeinsamen Nenner für die Destination? Wo würdest Du die Grenze ziehen? Ich meine damit, welche Unterschiede werden immer bestehen bleiben bzw. machen auch Sinn, dass sie bestehen?
Peter Egger: Das grösste gemeinsame Bedürfnis der fünf Orte sehe ich einerseits darin, dass sie alle eine geeinte politische Interessenvertretung gegenüber dem Kanton benötigen. Diese Funktion kann der Geschäftsführer der Destination wunderbar übernehmen und sich in den verschiedenen Gremien für die touristischen Interessen der Ortsmarken direkt einsetzen. Andererseits haben wir eindeutige, kalkulierbare und für jeden transparent ersichtliche Synergien im Bereich zentraler administrativer Aufgaben wie Personalbetreuung, Lohnbuchhaltung, Gebührenabrechnung etc. geschaffen, von denen jede Ortsmarke enorm profitiert.
Wir haben immer wieder feststellen können, dass die Unterschiede zwischen den fünf Resorts so gross sind, dass ein direkter Vergleich in den meisten Fällen nicht sinnvoll ist. Was unser Mehrmarkensystem eint und in seinem Grundprinzip so erfolgreich macht, ist auch ein gewisser Spielraum für die Ortsvereine als Aktionäre der Destination und die Freiheit der Ortsmarken, wie weit sie sich über das gemeinsam vereinbarte Basismarketing hinaus mit der Destination engagieren wollen.
Marc Ungerer: Deine langjährige Präsidentschaft endet im Sommer 2023. Was rätst Du Deiner Nachfolgerin, deinem Nachfolger oder sogar dem gesamten Verwaltungsrat der JRT, damit die Stabilität und positive Weiterentwicklung der Destination gewährleistet ist?
Peter Egger: Die Destination sollte weiterhin im Rahmen ihres Basismarketings die Märkte genau beobachten. Wie bisher bleibt höchste Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Vermarktung an die rasch stattfindenden Veränderungen prioritär.
Der Verwaltungsrat sollte zudem darauf achten, dass er sich auf die strategischen Belange konzentriert und sich nicht in operativen Fragen verliert. Die derzeitige politische Zusammensetzung sollte ebenfalls beibehalten werden.
Die Gefahr bei einer DMO besteht immer darin, dass ein Behördencharakter Einzug hält, welcher der unternehmerischen Nähe zu den Anforderungen der Resorts abträglich ist. Da habe ich immer versucht, dagegenzuhalten.
Schliesslich wünsche ich mir, dass sich im besten Fall einzelne Resorts die vorhandenen Stärken der anderen Orte aneignen - natürlich immer nur dort, wo es Sinn macht, und keine lokale Identität verloren geht.
Marc Ungerer: Lieber Peter, ich bedanke mich für dieses spannende, offene Gespräch und wünsche Dir einen ebenso erfolgreichen und glücklichen nächsten Lebensabschnitt.
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